Wer bin ich?

Nach einigen etwas oberflächlicheren Posts möchte ich heute über ein Thema schreiben, das mir sehr nah am Herzen liegt. Ein Thema, eine Frage, mit der ihr euch bestimmt des Öfteren schon auseinandergesetzt habt. 

“Wer bin ich?”

Wir werden geboren, als kleine Menschen, als Wunder. “Der heutige Wissensstand in den Naturwissenschaften reicht nicht aus, um zu erklären, wie das Leben entstand” steht auf Wikipedia. Ein Wunder, weil wir durch die Verschmelzung von Zellen entstehen, ein Wunder, dass du all die Wahrscheinlichkeiten überlebt hast und heute vor deinem Computer, Handy oder Tablet sitzen und diesen Blogpost lesen kannst. Doch wer bist du wirklich?

Das Ziel menschlicher Sehnsucht ist seit Jahrtausenden die Selbstfindung. Dariadaria ist nicht die Erste, die sich damit auseinandersetzt, surprise. Eine klassische Frage der Philosophie, mit der sich große DenkerInnen schon lange beschäftigen. Das erste mal habe ich vermutlich als Teenager darüber gegrübelt, wer ich denn jetzt eigentlich bin. Mein Körper, mein Aussehen, meine Nationalität, meine Seele, mein Lifestyle, meine Erinnerungen, meine Werte oder einfach nur eine Ansammlung von Molekülen? Letzteres ist für die meisten Menschen zu unromantisch. So auch für mich. Als Teenager war es mir wichtig, mein “ich” zu formen, mir auszusuchen, wer ich sein möchte und wie mich Andere wahrnehmen. Ich wusste, dass ich einen sehr prägnanten, ausgeprägten Charakter habe, ich wusste aber auch, dass ich mich den Menschen rund um mich gerne anpassen, wie ein Chamäleon. Doch die Identitätsfindung ging weit über die Adoleszenz hinaus und dauert bis heute, wenn nicht sogar bis ans Ende meines Lebens, an.

Als ich mit 21 mehrere Monate allein gereist bin, wurde mein “ich” auf eine harte Probe gestellt. Denn sobald wir alleine sind, können wir uns nicht mehr über unsere Freunde, unseren Partner oder Lifestyle definieren. Pure Unabhängigkeit bedeutet zwangsläufige Selbstfindung. Ich musste erfahren, dass alleine sein die wohl schwierigste Aufgabe ist, in einer digitalen, reizsüchtigen Welt, wo wir jede Sekunde mit anderen Menschen verbunden sind und uns über diese definieren. Wo wir eine Leere in uns füllen, indem wir durch die Eigenschaften oder Präsenz anderer Menschen unser “ich” kompensieren. Das beste Beispiel dafür sind Beziehungen. Viele von uns tendieren dazu, in Beziehungen in eine Art Abhängigkeit zu geraten und Abhängigkeit ist, wie bereits erwähnt, der Tod von Selbstfindung. Klar, wir sind soziale Wesen und wir adaptieren uns immer ein bisschen an die Person, die wir Gegenüber haben, aber sehr oft wissen wir nach ein paar Jahren in einer Beziehung gar nicht mehr, wer wir sind und wie sich alleine und man selbst sein überhaupt anfühlt, weil wir uns über die Jahre überlagert haben. Um sich selbst zu finden, müssen alle diese Überlagerung weg, Schicht für Schicht, näher an den Kern. Es ist als würde man Tapeten abziehen um dann bei der rohen Wand, bei sich selbst anzukommen.

Als Bloggerin bin ich sehr viel nach Außen und gerate mit Außen- und Selbstwahrnehmung vermutlich etwas intensiver in Kontakt. Doch es war erst als ich eines Tages in einer Yoga Klasse eine Meditation besuchte, bei der die Lehrerin sagte: “Befreit euch für einen Moment von all dem, was ihr seid. Eurem Beruf, euren Beziehungen, euren Besitztümern, eurem Aussehen und eurer Identität, wie ihr oder andere sie kennen.” In diesem Moment fühlte ich mich irrsinnig roh und ohne zu wissen, wer ich denn nun bin, fühlte ich mich so nah an mir selbst, wie nie zuvor. Und das ist es, was für mich die Frage “Wer bin ich?” ausmacht. Jeglichen Film und Belag abzukratzen und sich zu fragen, was da eigentlich drunter ist. Ein Prozess, der meistens sehr unangenehm ist, weil jede abgekratzte Schicht eine Art Trennung bedeutet. Von Menschen, Beziehungen aber auch Dingen und Verhaltensweisen, die wir uns angeeignet haben. Vor allem aber auch ein Innehalten und Kontrollieren der Reize, die uns täglich umgeben. Wir haben gelernt, ständig zum Smartphone zu greifen, ständig mit anderen Menschen unterwegs zu sein, auf Reize zu reagieren, sobald sie auftauchen. Das Abtragen der Tapeten bedeutet sich von all dem, zumindest kurzzeitig, oder kontrolliert immer wieder, zu trennen. Und die Leere die entsteht, kann weh tun.

Worauf ich hinaus will? Es ist wichtig, sich zu fragen “wer bin ich?”. Nicht, weil wir unter 7,39 Milliarden Menschen so verdammt besonders sind und einen Anspruch auf westlichen Individualismus haben. Nein, wir müssen uns diese Frage für uns selbst stellen. Weil es wichtig ist, ab und zu nackt zu sein, weil es uns langfristig glücklicher Macht, als kurzzeitige Genüsse und das Verdrängen der Leere und weil wir nur so privat und beruflich das erreichen können, was wir uns wünschen. Ab und zu nackt und roh zu sein, hilft uns Antworten auf komplexe Fragen wie “was will ich?” oder “wen will ich in meinem Leben haben?” oder “was gefällt mir eigentlich?” zu finden. Es ist diese eine Frage – “wer bin ich” – mit dessen Auseinandersetzung wir zwar nicht die Frage selbst, aber ganz viele Andere, mit nur einem Augenschlag beantworten können.