Vier sinnvolle Dinge, die du heute tun kannst, statt zu H&M zu rennen.

Seit Anfang März kämpfen Gewerkschaften in Myanmar um eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns von 2,50€ auf 3,86€ pro Tag. Das Ergebnis: Ausschreitungen.

Myanmar ist der letzte Schrei unter den Billiglohnländern, vor allem europäische Modeketten fertigen dort an, bisher recht unbemerkt. Vietnam und Kambodscha sind mit einem Monatslohn von 85€ bis 145€ pro ArbeiterIn inzwischen zu teuer, da schneidet Myanmar mit 60€ pro Monat wesentlich günstiger für diverse Moderiesen ab. Vor Kurzem gab es Revolte in einer Fabrik, die exklusiv für H&M produziert. Geld für Überstunden (14 Stunden pro Tag and sechs Tagen die Woche) wurden nicht bezahlt, als der Gewerkschaftsvertreter auf die Zahlung hinwies, wurde er gekündigt. Nochmal: in dieser Fabrik produziert nur H&M. Sprich: Einführung einer Mindestlohnregelung wäre in diesem Fall einfach, da keine anderen Parteien in der Stätte produzieren lassen. In dieser Produktionsstätte arbeiten übrigens auch Minderjährige, denn in Burma dürfen Kinder ab 14 Jahren arbeiten – was für H&M, laut eigenem einem Statement*, somit nicht als Kinderarbeit gilt.

Heute um 10 Uhr wird die H&M Conscious Collection, pardon, Conscious Exklusive gelauncht. Letztes Jahr zum selben Datum als die Fashion Revolution Week und 2017 nun wenige Tage davor. Ob es ein Zufall ist, dass H&M sich terminlich so dicht auf den Gedenktag, an dem 1133 TextilarbeiterInnen um’s Leben kamen, setzt?

Ich schaue mir das Video der Conscious Collection an. Stimmige Aufnahmen von Wasser, eine Frau haucht “as infinite as they may seem, our ocean are fragile places”. Cut, nächstes Bild ein Paillettenkleid. Weiter geht es mit “plastic pollution is affecting our marine life” und “by making conscious choices, there are ways into making this waste into something beautiful”. Das Paillettenkleid ist aus recyceltem Plastik, aber. Aber: es sind Pailletten! Es ist Mikroplastik, das sich beim Lösen eines Fadens oder bei nicht adäquater Entsorgung direkt wieder in den Kreislauf gerät. Wie passen Pailletten und Plastikvermeidung im Meer zusammen? Gar nicht.

Neben recyceltem aber auch herkömmlichem Polyester bzw. Plastik sind Lyocell, Tencel, Bio-Baumwolle, Bio-Seide, und metallisiertes Garn verwendete Materialien, wobei ich mich wirklich frage, das Letzteres in einer “nachhaltigen” Kollektion verloren hat. Ein weiteres, verwendetes Material nennt sich “Neolite”, dazu finde ich weder auf der H&M Seite noch online Information.

Beim Klick auf “Info” erhoffe ich mir mehr Information zur Kampagne: woher kommt das recycelte Plastik? Handelt es sich um Post-Consumer-Waste bzw. Meeresplastik oder ist es einfach Plastik, das in einer chinesischen Fabrik hergestellt, ungebraucht in die nächste Fabrik wandert und dort dann zu Textilien verarbeitet wird und trotzdem als “recycelt” gilt? (das ist der neueste Trend, da so viele Modekonzerne nun mit “recyceltem Plastik” werben und es dafür noch keine gesetzliche Reglementierung gibt). Bei manchen Stücken steht zwar dabei, dass es sich um angeschwemmtes Plastik handelt, bei anderen, den meisten, dann aber nicht. Positiv anzumerken: bei den wenigen Teilen, die aus angeschwemmtem Plastik hergestellt werden, wird mit Bionic zusammengearbeitet.

Was wurde bei der Produktion getan, um die Meere tatsächlich zu retten? Da der Großteil der Stücke in China produziert wurde, wie sieht es mit Chemikalien und Abwassermanagement bei der Produktion aus? Inwiefern hängt Mode mit Plastikverschmutzung zusammen?

Beim Klick auf die einzelnen Teile erfährt man auch in welchem Land bzw. von welchem Zulieferer die Stücke kommen. Ein Versuch der Transparenz, der grundsätzlich lobenswert ist, aber wenn ich die diversen Firmen online recherchiere, finde ich nicht viel. Ich kann keine der bereitgestellten Informationen nachvollziehen, die Seiten der Hersteller verraten ebenso wenig. Ich weiß nun aber wenigstens, dass die Stücke der Kollektion in China, Vietnam, Indien und Portugal gefertigt werden. Dubios: man findet ebenso Interviews mit MitarbeiterInnen, jedoch nur aus China und Portugal, welche als Produktionsländer low risk countries sind im Vergleich zu Vietnam oder Indien. Wieso keine Interviews mit TextilarbeiterInnen aus high risk countries wie Vietnam oder Indien?

Stattdessen finde ich unter “Info” einen 2-Zeiler: “Conscious Exklusive ist eine jährliche Kollektion, mit der wir unserer Vision von nachhaltiger Mode vorstellen. Durch den Einsatz von Bio-Materialien und recycelten Rohstoffen verbindet sie glamouröse Details, mit modernen, nachhaltigen Materialien und Prozessen.” Der Rest der Info Seite ist ein Portrait von Natalia Vodianova, Botschafterin der Kollektion, und ein Link zu ihrem Projekt “Elbi”. Was Elbi genau tut, erfährt man nicht. Man muss zuerst auf deren Seite, dann auf Vimeo. Schade, denn die Idee hinter Elbi ist grundsätzlich gut. Mein Guess: 99% der KäuferInnen der Kollektion werden nie zu diesem Video gelangen oder Elbi überhaupt nutzen.

Mehr Infos findet man nicht. H&M möchte gerne nachhaltiger, aber bei Gott nicht edukativ sein. Bildungsauftrag: verabsäumt. Positiv angemerkt: es sind mehr Informationen bereit gestellt worden, als in den letzten Jahren. Diese Kollektion zu kaufen bedeutet trotzdem nicht, etwas Gutes zu tun oder einschlägiges Wissen zu akquirieren, für Viele bedeutet es einfach nur ein besseres Gewissen. Und weil ich nicht nur anprangern und jammern will, gibt es heute die Lösung! Vier Dinge, die ihr heute noch tun könnt, um wirklich Impact zu schaffen:

 

1. Second Hand kaufen


Ihr könnt nicht ohne Fast Fashion? Ohne die Conscious Collection.. äh.. Exclusive? Dann kauft sie doch gebraucht! Auf diversen Plattformen wie willhaben, vestiaire collective, eBay Kleinanzeigen oder Kleiderkreisel könnt ihr Textilien vor dem Müll retten. Wenn man sich Bilder von Textilmüllhalden ansieht und sich auf der Zunge zergehen lässt, dass weltweit jährlich 13,1 Millionen Tonnen Textilien weggeschmissen werden, fällt einem das gleich einfacher.

 

2. Spenden


Statt 49,99€ für eine Bluse der Kollektion hinzublättern, könnt ihr heute noch denselben Betrag an eine tolle Organisation spenden, die tatsächlich was zum Schutz der Meere tut. Eine ganz tolle Organisation in dem Bereich ist die Whale and Dolphin Conservation, die mit ihrer Kampagne “Weniger Plastik Ist Meer” seit geraumer Zeit versuchen, dieses Thema aufzugreifen. Hier gelangt ihr zur Spendenseite, wo ihr auch Patenschaften übernehmen könnt.

 

3. Darüber sprechen


Wer in einer H&M Bluse zu einem Dinner mit Freunden geht, setzt kein Statement. Wer mit Freunden über Plastikverschmutzung spricht, schon! Es gibt viele, tolle Seiten, auf denen ihr euch über Plastikverschmutzung bzw. die Folgen der Textilindustrie informieren könnt bzw. zahlreiche Dokumentarfilme, die wirklich sehenswert sind. Wenn ihr in der Bildung arbeitet: noch besser! Nehmt mit SchülerInnen und StudentInnen dieses Thema durch, sprecht Greenwashing in der Textilindustrie aktiv an.

Artikel zum Thema
Plastik Recycling in der Modebranche
Plastikverschmutzung im Meer
Flip Flops im Meer
Fashion & Beauty: Microplastic & Microbeads

 

Filme
The True Cost Movie (auch auf Netflix)
Plastic Planet
A Plastic Ocean
(auch auf Netflix)

4. Mal nichts kaufen

Wer ein echtes Faultier ist, der kann auch ganz einfach nichts tun indem sie/er den Konsum für eine Weile verweigert. Ist effektiver, als man denkt. Fällt mir persönlich am schwierigsten, aber es wird! Wer Inspiration braucht, dem lege ich das Buch “Ich kauf nix!” ans Herz oder diverse Plattformen, die sich mit geldfreiem Leben beschäftigen, wie zum Beispiel ohnegeld.net.

 

Mehr zum Thema/Quellen:

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Textilindustrie in Burma: Studie wirft H&M Kinderarbeit vor
Kurzer Kick für den Chic: Hochgefühl beim Kleiderkauf hält nicht lange an

Infographic: How Many Pounds of Textiles Do Americans Trash Every Year?
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