Lieber Starbucks, wir müssen reden.

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Lieber (liebes?) Starbucks,

ich bin keine Stammkundin. Im Gegenteil: ich boykottierte euch die letzten Jahre. Das hat viele Gründe: der Versuch keine Steuern zu zahlen, mangelnde Bio-Produkte, ein zu geringer Fair-Trade Anteil, weil ich lieber kleine Unternehmen unterstütze, weil mir der fast schon religiöse Hype um Pumpkin Spice Latte etwas suspekt ist und die Tatsache, dass ihr inzwischen nicht mal mehr fragt, ob man einen Kaffee „hier“ oder „to go“ möchte, sondern prophylaktisch in einen Einwegbecher einschenkt.

Seit einigen Monaten probiere ich mich am zero waste Lifestyle. Als kurze Erklärung: zero waste bedeutet keinen Abfall zu produzieren und somit den eigenen, ökologischen Fußabdruck zu verringern. Zugegeben: zero waste ist nicht immer leicht. Man muss im Voraus planen, sich entsprechende Läden suchen, oft erklären wieso man das Kipferl jetzt nicht im Sackerl haben möchte. Ganz oft raus aus der Komfortzone. Wenn man die Welt verbessern möchte, darf man nicht bequem sein. Doch wenn man mal den Dreh raus hat, ist es eigentlich ganz leicht. Ich führe ein sehr stressiges Leben, bin sehr viel unterwegs und habe es inzwischen sehr gut geschafft, zero waste in meinen Alltag zu integrieren. Es macht mich unheimlich glücklich, ganz so selbstlos ist es also nicht.

Um aber endlich zum Punkt zu kommen: ich gehe seit Kurzem wieder, ab und zu, zu Starbucks. Nicht, weil mir eure Faux-Pas egal sind, sondern weil ihr zero waste unterstützt! 0.50€ Rabatt bekommt man, wenn man einen eigenen Becher mitbringt. Das ist viel mehr, als euch der Pappbecher kosten würde, sprich: ihr macht damit eigentlich „Verlust“. Das finde ich super! 0.50€ Rabatt bekommt man eigentlich nirgendwo, wenn man mit dem eigenen Behälter ankommt. Ich finde dieses Entgegenkommen wirklich toll, weil ihr eure Kunden erzieht. Es ist ein Statement. Das, was viele andere Anbieter eurer Größe (zB. McDonalds) nicht machen. Ok, ihr malt euch oft grüner an, als ihr seid, aber was das angeht, muss man euch wirklich loben. Ich möchte als Konsumentin mit meiner Nachfrage das Angebot, auch bei Konzernen, grüner machen. Deswegen entschied ich mich, ab und zu bei euch meinen Tee zu trinken.

Heute bin ich also in die Filiale in der Neubaugasse gegangen, um mir in meinen eigenen Becher (der wie ein Starbucks Einwegbecher aussieht, aber aus Hartplastik ist – ziemlich cool) einen Chai Leaf Tea Latte einfüllen zu lassen. Zuerst bekam ich den Rabatt nicht, was halb so wild ist, das passiert jedes zweite mal, wenn ich zu euch gehe. Ich weise aber immer freundlich drauf hin und führe es darauf zurück, dass wohl nicht so viele Kunden mit eigenem Becher bei euch kaufen. Am Ende der Bar wartete ich also auf meinen mitgebrachten Becher, den ich dann, gemeinsam mit einem Einwegbecher, vor die Nase gestellt bekam.

„Der Tee muss ziehen, deswegen haben wir dir die Sojamilch in einen eigenen Becher gegeben“. Mit Plastikdeckel, versteht sich. Ich hoffe ihr könnt nachvollziehen, dass es wirklich weh tut, wenn man sich Tag ein, Tag aus bemüht, weniger Müll zu produzieren, um dann einen Einwegbecher vor die Nase geknallt zu bekommen.  Ich nehme es persönlich, ich geb’s zu. Ich trage jeden Tag Edelstahltupperware, Glasflaschen, Mehrwegbecher, Stoffsäcke mit mir rum, koche mein Essen vor, wenn ich verreise, lasse mir im Flugzeug mein Wasser in die eigene Flasche gießen, fahre um die halbe Stadt, um verpackungsfrei einzukaufen (letztens habe ich 15kg im Rucksack getragen), kompostiere meine Haare, meine Nägel,  mache Waschmittel aus Kastanien – all das neben einem 48-Stunden Job. Ich bin noch lange nicht so zero waste, wie ich es sein möchte. Immerhin fliege ich viel für meinen Job, mit der Menstruationstasse konnte ich mich bis heute nicht anfreunden und ich kaufe nicht immer Second Hand Kleidung. Aber ich versuche wirklich von Herzen all das zu tun, was in meinem Rahmen der Möglichkeiten realisierbar ist.

Wieso ich so emotional auf diesen Vorfall reagiere? Weil er symbolisch ist. Dafür, dass die eigenen Bemühungen oft mit Füßen getreten werden (wenn auch als “honest mistake” ohne böse Intentionen). Dafür, dass Veränderung nur möglich ist, wenn alle zumindest ein bisschen mitmachen. Ein Rabatt für mitgebrachte Behälter ist nur mindestens so gut, wie der Wissensstand der MitarbeiterInnen. Ich möchte mit diesem Post keinen Shitstorm erzeugen, aber ich möchte, dass er dafür sorgt, dass ihr eure MitarbeiterInnen schult, ihnen erklärt, warum ihr einen Rabatt für mitgebrachte Becher anbietet.

320.000 Coffee-to-go Becher werden in Deutschland stündlich verbraucht, bei Starbucks gehen 4 Milliarden Kaffeebecher pro Jahr über den Tresen, weltweit sind es 58 Milliarden Pappbecher, die weggeschmissen werden (die Recycelten sind hier bereits ausgenommen). 20 Millionen Bäume werden jährlich gefällt, um so viele Pappbecher zu produzieren, die meisten davon (wie auch eure, soweit ich weiß) sind innen mit Plastik foliert. Was man auch oft vergisst: man geht davon aus, dass in der Produktion all dieser Becher 45 Milliarden Liter Wasser verbraucht werden. Wenn man dann noch die virtuelle Wasser Bilanz von Kaffee heranzieht (140 Liter pro Tasse) ist man bei einer absurden Zahl. Die Katastrophe im Becher. To go bitte.

Wie viele eurer MitarbeiterInnen haben diese Zahlen jemals gesehen? Wie viele eure MitarbeiterInnen haben bereits Schulungen zum Thema Einwegbecher gehabt?

Wir könnten so viele Menschen mit Energie und Wasser versorgen, noch dazu den Regenwald ein Stück weit erhalten, wenn wir alle einen Mini-Schritt vorwärts gehen und Mehrwegbecher mitbringen. Und wenn die Menschen, die Mehrwegbecher mitnehmen, nicht vor den Kopf gestoßen werden und ein bisschen Milch in einem Extra-Cup inklusive Plastikdeckel serviert bekommen. Für einen Menschen, der im Jahr null Einwegbecher konsumiert, ist ein ungewollter Pappbecher ein Schlag ins Gesicht und ein Weg zu sagen “deine Bemühungen sind uns egal.” Oder auch, etwas weniger bösartig, ein “unsere MitarbeiterInnen, das Gesicht von Starbucks, sind es uns nicht wert geschult und informiert zu werden”.

Ich halte nichts davon, große Konzerne per se zu verteufeln und alles auf “die bösen Großen” zu schieben. Denn ohne euch, wäre Veränderung schwer möglich. Es braucht große, reichweitenstarke Unternehmen, die zeigen, wie es besser geht. Ihr habt die Möglichkeit, Menschen, die es richtig machen, zu unterstützen. Also bitte tut das auch.

Alles Liebe,
Madeleine

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